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Allgemeine Hinweise
Anlässlich der diesjährigen internationalen Restorative Justice Woche (#RJWEEK) veranstaltet das TOA-Servicebüro des DBH e. V. einen interdisziplinären Fachtag. Dieser richtet sich vornehmlich an Richter*innen, Staatsanwält*innen, Justizvollzugsbedienstete, Polizist*innen, Konfliktvermittler*innen, Sozialarbeiter*innen, Psycholog*innen, (weiteren) haupt- sowie ehrenamtlichen Akteur*innen aus der Opfer- und Straffälligenhilfe, Rechtsanwält*innen und sonstige am Thema interessierte Personen. Um das COVID-19-Ansteckungsrisiko so gering wie möglich zu halten, findet die Veranstaltung online über die (datenschutzkonforme) Plattform Big Blue Button statt.
Thema und Programm
Es ist Zeit zu erkennen, dass unser gegenwärtiges Strafsystem nicht dazu geeignet ist, Menschen davon abzuhalten, Straftaten zu begehen. Vielmehr sind Demoralisierung und physische wie psychische Schäden die Folgen von Strafvollzug, wie Dr. Thomas Galli dies in seinem kürzlich erschienenen Buch „Weggesperrt“ herausgearbeitet hat.
Mit diesem national wie international hochkarätig besetzten Restorative Justice-Fachtag werden im Rahmen eines Vortrags von Dr. Clivia von Dewitz („Mehr Restorative Justice und weniger Strafen? – aus Richter*innenperspektive“; Abstract: siehe unten) sowie einer Podiumsdiskussion neue Möglichkeiten diskutiert, wie anders auf Straftaten reagiert werden kann.
Wie kann es aussehen, wenn Heilen statt Strafen im Vordergrund steht? Wenn Tatverantwortliche wie Tatbetroffene wieder aktiv in die Konfliktlösung eingebunden werden? Wenn Richter*innen ihren Fokus weg von Bestrafen und hin zu therapeutischer Unterstützung richten, wie dies natürlicherweise durch Ureinwohner*innenjustiz jahrhundertelang praktiziert wurde.
Programm (Teil 1: nur in Deutsch)
16:00 Uhr Begrüßung und Einführung ins Thema (Christoph Willms, TOA-Servicebüro des DBH e. V.)
Vortrag und Diskussion: „Mehr Restorative Justice und weniger Strafen? – aus Richter*innenperspektive“
Referentin: Dr. Clivia von Dewitz (Deutschland, Richterin)
17:30 Uhr Pause
Programm (Teil 2: alle Beiträge in Deutsch und Englisch)
19:00 Uhr Podiumsdiskussion: „Heilen statt Strafen: internationale und interdisziplinäre Perspektiven einer Restorative Justice“
Mitwirkende:
Europa:
Dr. Thomas Galli (Deutschland, Rechtsanwalt und ehem. JVA-Leiter);
Dr. Clivia von Dewitz (Deutschland, Jugendrichterin);
Dr. Volkmar Schöneburg (Deutschland, Rechtsanwalt und ehem. Minister der Justiz des Landes Brandenburg);
Bernhard Holtrup (Niederlande/Schweden, Coach und Talking Circle Leader)
Nordamerika:
Chief Phil Lane Jr. (Kanada/USA, internationaler Sprecher für Ureinwohnerangelegenheiten);
Judge Abby Abinanti (USA, Richterin des Yurok-Stammesgerichts);
Ozeanien:
Judge Fred McElrea (Neuseeland, Richter a. D.);
Senior Sergeant Simon Kairau (Neuseeland, Ethnischer Ansprechpartner für den südlichen Distrikt).
Abstract: „Mehr Restorative Justice und weniger Strafen? – aus Richter*innenperspektive“
2018 hat sich Frau Dr. von Dewitz für zwei Jahre beurlauben lassen und konnte mehrere Monate in Neuseeland, Kanada, Alaska und auf den Hawaii-Inseln verbringen und erfahren, wie dort Restorative Justice praktiziert wird. In Neuseeland konnten Jugendhaftanstalten geschlossen werden, nachdem 1989 ins Gesetz eingeführt worden war, dass jedes Jugendverfahren zur Durchführung einer Familien-Gruppen-Konferenz (eine Unterform von Restorative Justice) abzugeben war. Kanada hat besondere Gefängnisse für ihre Ureinwohner*innen etabliert, sog. Healing Lodges, in denen Inhaftierte an besonderen Therapien teilnehmen (müssen) und über Älteste (elders) wieder mit ihrer Ureinwohner*innenkultur in Kontakt kommen, was zu einem deutlichen Rückgang von Straftaten geführt hat.
Überall dort, wo der Fokus auf Heilung, Wahrheit und Versöhnung gelegt wurde, ging die Begehung von Straftaten deutlich zurück. Es ist Zeit, unsere Strafjustiz zu überdenken und zu erkennen, dass schärfere Strafvorschriften und hartes Durchgreifen keine Sicherheit bringen, sondern eher das Gegenteil.
In diesem Vortrag wird Frau Dr. von Dewitz berichten, wie Restorative Justice in anderen Ländern praktiziert wird und was davon im deutschen Justizsystem umgesetzt werden könnte.
Kurzbiografien der Referent*innen (in alphabetischer Reihenfolge)
Judge Abby Abinanti (USA) arbeitet seit 1997 als Richterin am Yurok-Stammesgericht, das sich der Unterstützung der traditionellen Werte des Yurok-Stammes und dem Schutz deren Traditionen widmet. Nach ihrem Studium der Journalistik studierte sie Rechtswissenschaften und interessierte sich besonders für das Gebiet des indianischen Rechts. 1974 wurde sie als Rechtsanwältin zugelassen. Sie war die erste Ureinwohnerin, die als Rechtsanwältin zugelassen wurde, und die erste Ureinwohnerin in Kalifornien, die als Richterin ernannt wurde. Von 1990 bis 2011 war sie Kommissarin am United Family Court des San Francisco Superior Court. Sie hat eine Hauptrolle in dem Dokumentarfilm „Tribal Justice“, der von Anne Makepeace geschrieben und inszeniert wurde. Es geht um zwei indianische Frauen, beide Richterinnen an den Stammesgerichten ihrer tribes, die sich bemühen, die Inhaftierungsraten zu senken und ihr Volk zu heilen, indem sie Straftäter*innen rehabilitieren, anstatt sie zu bestrafen.
Dr. Clivia von Dewitz (Deutschland); Jugendrichterin und zurzeit dabei, ein Buch über Restorative Justice zu schreiben. Sie verbrachte in den letzten zwei Jahren mehrere Monate in Neuseeland, Kanada und Alaska und Hawaii, um Restorative Justice und Ureinwohner*innenjustiz zu studieren. Absolvierte 1997 ein Praktikum an der Wahrheitskommission in Südafrika. Ihre Doktorarbeit schrieb sie über NS-Gedankengut und Strafrecht (2005). 2014 bildete sie Richter*innen in Tunesien in Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte fort und 2019 Richter*innen, Staatsanwält*innen und Anwält*innen zu Restorative Justice in Nepal.
Judge Fred McElrea (Neuseeland) ist ein pensionierter Richter am Amtsgericht von Aotearoa/Neuseeland, einschließlich einer kurzen Amtszeit als Richter am Obersten Gerichtshof in Tonga (2004). Er ist immer noch in der Restorative Justice-Arbeit aktiv. Seine internationale Beratungsfunktion zeigt sich darin, dass er in zehn Jahren 16 Mal in zehn verschiedenen Länder gereist ist, um Beiträge zu diesem Thema zu präsentieren, und zu Hause großen Einfluss auf die Entwicklung der Gesetzgebung in diesen Bereichen hatte. Letztes Jahr hat er gemeinsam mit David Thompson eine Reihe von drei Artikeln im New Zealand Law Journal über die Geschichte der traditionellen Strafjustiz und des Strafvollzugssystems im englischsprachigen Raum aus RJ-Sicht verfasst. 2017 starteten sie eine Website mit rund 80 Artikeln, siehe: https://www.napierlibrary.co.nz/collections/judge-mcelrea-papers/.
Dr. Thomas Galli (Deutschland) arbeitet seit 2016 als Rechtsanwalt in einer Kanzlei in Augsburg. Er war seit 2001 im Strafvollzug tätig. 2013 wurde er Leiter der Justizvollzugsanstalt Zeithain. Er war Mitglied des Kriminalpräventiven Rats der Stadt Dresden sowie Vertreter Sachsens bei der Bundesvereinigung der Anstaltsleiter. Er publiziert zu Fragen der Kriminologie, des Strafvollzugs sowie des Gefängnisalltags. Zuletzt ist bei der Edition Körber 2020 „Weggesperrt – Warum Gefängnisse niemandem nützen“ erschienen.
Ing. Bernhard Holtrup MBA (Niederlande/Schweden) ist ein internationaler Berater für Organisations- und Gesellschaftsentwicklung. Spezialist für die Erleichterung von Heilungs- und Wiederherstellungsdialogen sowohl in der Unternehmenswelt als auch in schwierigen Gegenden. Er verfügt über umfangreiche Erfahrung (17 Jahre) in der Gestaltung und Erleichterung von Heilungs- und Versöhnungsprozessen in hoch angespannten städtischen gesellschaftlichen Situationen in Städten wie Rotterdam und Amsterdam. Zum Beispiel: ‚Rassenkonflikte‘ in Nachbarschaften, tödliche Konflikte zwischen Jugendbanden sowie zwischen Polizei und Jugendbanden. Er entwickelt und führt Heilungs- und Reintegrations-Retreats in der Natur für Obdachlose in Amsterdam sowie für junge Unternehmensfachleute durch. Derzeit schreibt er ein Buch über: „Dialogische Führung in einer polarisierten Welt“.
Senior Sergeant Simon Kairau (Neuseeland) ist Berater für Māori/Pazifische/Ethnische Angelegenheiten im südlichen Bezirk. Er beaufsichtigt die Verbindungsbeamten von Iwi Liaison und Ethnic Liaison innerhalb des neuseeländischen Polizeidienstes und unterstützt Projekte wie indigene alternative Gerechtigkeit, Kulturgesetzgebung, Gemeinschaftsprogramme und sonstige Resolutionen innerhalb der neuseeländischen Polizei. Er wurde mit einem Forschungsstipendium (Woolf Fisher Police Fellowship) der Woolf Fisher Family Foundation in Neuseeland für seine Arbeit mit Alternative Justice durch Iwi Community Panels ausgezeichnet. Im Herbst 2019 absolvierte er einen wissenschaftlichen Besuch in Saskatchewan, Kanada, um eine Reihe von Organisationen und Initiativen in Bezug auf Ureinwohner*innen und deren Gemeinschaften kennenzulernen. Im November 2019 war er der internationale Hauptredner auf dem Kanadischen National Restorative Justice Symposium in Banff, Alberta.
Chief Phil Lane Jr. (USA/Kanada) ist Mitglied der Ihanktonwan Dakota und Chickasaw Nation und Staatsbürger sowohl Kanadas als auch der Vereinigten Staaten. Mit einem Master-Abschluss in Pädagogik an der National University und öffentlicher Verwaltung an der University von Washington ist Chief Phil Lane Jr. ein international anerkannter indigener Führer in der Entwicklung von Menschen und Gemeinschaften. Chief Phil Lane Jr. erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den John Denver Windstar Award, und spricht häufig für bzw. über die Rechte und die Weisheiten der Ureinwohner*innen. Begründer des Four World´s International Institute. Ein bekannter Film- und Videoproduzent, Community-Leiter, Autor, Redner, Pädagoge, Berater und Herausgeber.
Dr. Volkmar Schöneburg (Deutschland) arbeitet zurzeit an einem Buch über Recht und Macht. Er war von 2014 bis 2019 Abgeordneter im Brandenburger Landtag, von 2009 bis 2013 Minister der Justiz des Landes Brandenburg, von 2006 bis 2009 Richter am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg und von 2002-2009 Rechtsanwalt in Potsdam, Schwerpunkt Straf- und Strafvollzugsrecht. Von 2002 bis 2009 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Von 1991 bis 2001 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Akademie der Wissenschaften der DDR, Institut für Philosophie. Seine Doktorarbeit schrieb er über das „Kriminalwissenschaftliche Erbe der KPD 1919 – 1933“. (1984).
Kosten
Die Tagungs- bzw. gesamte Teilnahmegebühr beläuft sich auf 25 € (sowohl für die Teilnahme an der gesamten Veranstaltung als auch für die Teilnahme an nur einem der beiden Programmpunkte).
Teilnahme- und Anmeldung
Eine verbindliche Anmeldung ist bis zum 16. November 2020 (ANMELDEVERLÄNGERUNG) über die Website des TOA-Servicebüros möglich. Spätestens zwei Tage vor dem Veranstaltungsbeginn erhalten die Teilnehmenden Ihre Zugangsdaten zur Onlineplattform.
Stornierungsbedingungen:
Der Rücktritt hat in Textform (per Mail, Brief oder Telefax) zu erfolgen. Eine kostenlose Stornierung ist bis zum Anmeldeschluss (16.11.2020) möglich. Bei einem späteren Rücktritt bis zum Veranstaltungsvortag (Werktag) wird eine Ausfallgebühr in Höhe von 50 % der Teilnahmegebühren berechnet. Bei Absage am Veranstaltungstag sind die Gesamtkosten zu zahlen. Weitere Informationen finden Sie in unseren Allgemeinen Geschäftsbedingungen: https://www.toa-servicebuero.de/agb
Technische Anforderungen und Hinweise
Zur Teilnahme an der Onlineveranstaltung benötigen Sie neben einem Computer mit einer stabilen Internetverbindung und einen gängigen (aktuellen) Browser. Eine Teilnahme sowie die Kommunikation mit dem Moderator, den Referent*innen und ggf. anderen Teilnehmer*innen ist grundsätzlich auch ohne Mikrofon und Webcam möglich.
Um technische Schwierigkeiten zu vermeiden: Bitte achten Sie im Vorfeld darauf, dass Sie die aktuelle Version Ihres Internetbrowsers mit den vorgegebenen Standardeinstellungen verwenden (z. B. keine Pop-up-Blocker etc.).
Während der Veranstaltungsteilnahme sollte sichergestellt sein, dass kein Telefon klingelt oder Sie anderweitig abgelenkt werden können.
Veranstalter
Auf Beschluss von Bundestag und Bundesregierung wurde das TOA-Servicebüro als überregionale Zentralstelle zur Förderung des Täter-Opfer-Ausgleichs eingerichtet. Es ist eine Einrichtung des DBH e.V. – Fachverband für Soziale Arbeit, Strafrecht und Kriminalpolitik und wird zum Großteil aus Mitteln des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz gefördert.
Bei inhaltlichen und organisatorischen Fragen wenden Sie sich bitte an:
Telefon: (0221) 94 86 51 22
E-Mail: info@toa-servicebuero.de
Website: www.toa-servicebuero.de